im frisiersalon

 

so wie sie aussehen, könnten sie doch mehr aus sich machen. was meinen sie? sie sind recht adrett. also sie könnten schauspieler werden oder so was in der richtung. aber frisör, naja das ist doch nichts; da kommen sie doch nicht so recht voran. aber adrett sind sie schon, das muss ich ihnen ja lassen. da könnten sie mehr aus sich machen z.b in die werbung gehen, da kann man richtig geld verdienen, wenn man adrett ist und das sind sie ja.

 

 

jetzt stellen sie sich vor, dass etwas in ihrem salon geschieht. und zwar genau so: also ... auf dem zu frisierenden kopf, den sie gerade ins waschbecken getunkt haben, da bewegt sich etwas, sie schauen genauer hin. da springt es ihnen schon fast ins auge, zwischen weißen schuppenbröseln und glänzender fettschicht, unverschämt sprunghaft, dass sie sich schon fast ducken müssen; sie vermuten die kleine gewöhnliche kopflaus: pediculus humanus capitis (menschenkopflaus). sie haben sich schon zwangsläufig mit diesem thema mit dieser durchsichtig grauen laus (nach dem blutsaugen jedoch eher bräunlich bis rötlich), mit diesem krabbelnden salonfeind nr.1 (denn hygiene wird hier groß geschrieben), mit diesem unglaublich hämophilen parasiten auseinandersetzen müssen. und die springen eben nicht. soviel haben sie bereits in erfahrung gebracht: läuse springen nicht. also das hier ist ihnen ja noch nie unter gekommen, und sie haben hier schon vieles erlebt, aber sprunghaftes kleingetier auf dem kopf einer zu frisierenden. nein, das nicht. und noch während sie nach der lavendelfarbenen plastikflasche greifen, den verschluss öffnen, schließen sie fast beiläufig, hierbei muss es sich um durch spontanmutation aufgetretene mutanten handeln. das wäre eine sensation. das wäre eine unglaubliche sensation, die sie aber unter diesen umständen leider nicht genießen können, denn das verlassen ihres arbeitsplatzes, sowie die ausführung berufsfremder tätigkeiten, -wozu selbstverständlich auch das verkünden wissenschaftlicher neuentdeckungen zählt- während der arbeitszeit und darüber hinaus, ist ihnen strengstens untersagt. also vergessen sies; frisöre haben noch nie auszeichnungen für forschungsrelavante entdeckungen, noch den nobelpreis für biologie erhalten. ihr name wird niemals unter den namhaftesten und schillernsten zoologen der gegenwart und zukunft zu finden sein. ihre kurzen zuckungen versanden also schnell; sie besinnen sich eines besseren, schließlich haben sie hier einen job (wenn auch nicht besonders anspruchsvoll) zu erledigen.

 

sie beugen sich also wieder übers becken, klecksen etwas abwesend das nach lavendel duftende shampoo über den befallenen kopf der zu friesierenden; nicht ohne einen gewisse übelkeit in der magengrube zu verpüren. sie schluckens runter und schäumen eifrig den verseuchten haarschopf auf, wobei sie sich vorher noch schnell die keimfreien handschuhe, die immer auf dem frisiertisch liegen, überstreifen, denn man kann ja nie wissen. was wäre, wenn die spontanmutation diesen blutsaugenden parasiten, nicht nur kräftigere beine mit hochsprungqualitäten, sondern auch ein starkes, fest zupackendes gebiss verschafft hätte? was wäre also ...? sie gehen auf nummer sicher.

 

ha, also so weit sind wir schon. gut präpariert schäumen sie kräftig auf und denken bereits jetzt schon an den feierabend und das miese trinkgeld das sie nach hause schleppen werden und ich betone hier schleppen, denn sie werden so frustriert sein wie jeden abend über das miese trinkgeld der so liebevoll frisierten (drecksköpfe), dass sie mühe haben werden zügig voran zu kommen, wie es sich gehört für einen jungen menschen in ihrem alter, aber sie haben gerade erst begonnen. also sie beißen die zähne zusammen und schäumen weiter und nach zehnminütigen tapferen schäumens und massierens, einschließlich einer nachfolgenden gründlichen kopfspülung (doch die parasiten krallen sich verbissen fest), nehmen sie langsam das geblümte handtuch ins visier, um endlich diesen unansehnlichen käferkopf pfeilschnell, also ohne verzögerung, zu bedecken, zuzudrücken und das käfergetier genüsslich zu zerquetschen, denn ein insektenbekämpfungsmittel -im volksmund auch chemische keule oder auch chemiekeule genannt- steht ihnen momentan nicht zur verfügung. also sie nehmen das geblümte handtuch, rubbeln und drücken kräftig zu, drücken nochmals zu; die zu frisierende bleibt erstaunlich still und rührt sich kaum. daraufhin leicht beunruhigt reißen sie ihr schnell das durchnässte handtuch vom kopf und beugen sich zu ihr herunter. ... entschuldigung ... hallo ... sie schauen etwas genauer hin; erst jetzt bemerken sie bei genauerer betrachtung: lose, ungestrafte in falten geworfene hautpartien hängen bis weit über ihre kieferpartie schlabbernd herunter, die zu frisierende ist eine alte schachtel. schlaff hängt sie im sessel, ihre altmodische tasche an ihren bauch gedrückt, schaut sie aus umfalteten schlitzen mit graumilchigen augen zu ihnen auf und sendet einen hasserfüllten, boshaften blick. dennoch bleibt sie still, geradezu unheimlich still, fast schon provozierend still. also lächeln sie bemüht in das alte, totenstille rentnergesicht, die eine hand bereits hinter ihrem rücken zur faust geballt, wünschen sie jetzt nichts sehnlicher, als auf der stelle diesen alten lausekopf zu zerschmettern. doch das dürfen sie nicht. denn sie wissen, der kunde ist könig und fordert, und das zurecht, jederzeit eine zuvorkommende und überaus freundliche behandlung. sie sind also bereit zum hauptprogamm: waschen, scheiden, fönen, überzugehen. in diesem sinn nehmen sie ihr handwerk auf, also die schere in der hand; bereit die alte zu frisieren. aber wie sie die schere so in der hand halten und mit innerer abwehr den kopf der zu frisierende betrachten, beobachten sie nicht ohne erstaunen, wie ein zarter streifen frischen bluts der alten langsam die schläfe herunter läuft. langsam kraucht das dunkelrote blut über den breiten zusammengequetschten faltenteppich ihres gesichts, den nicht minder faltigen hals herunter. also war die zwar kurzzeitig schmerzhafte kopfbehandlung, das kräftige andrücken des handtuchs gegen den verseuchten schädel, nicht ohne erfolg. sie können ihre innere begeisterung über das plötzliche absterben der unansehnlichen kopfturner kaum zurück halten, und grinsen vor freude in sich hinein. die alte derweil, sieht in den spiegel und merkt nichts. ihre stimmung hat sich sichtlich verbessert und sie werden mutiger, beobachten noch genauer das treiben auf ihrem kopf und schnipsen ohne bedenken, denn die alte ist scheinbar fast blind, dreist einige kadaver vom kopf. trotz alledem, in einigen haarnestern wimmelt es noch munter vor sich hin. also stechen sie mit den spitzen enden ihrer schere wahllos in die quirligen haufen hinein -die alte scheint auch das nicht zu bemerken- bis das blut der nistenden in dicken tropfen auf die weiße bluse der empfindungslosen alten und fast bis auf den frisiertisch spritzt. so auf den geschmack gekommen stechen sie munter weiter drauf los, risse im schädel tun sich auf und das blut läuft in strömen vom kopf der alten herunter, spritzt direkt in ihr gesicht, sie wischen es kurzerhand mit einer bewegung ab und stechen weiter in den aufklaffenden schädel aus dem sich die graue gehirnmasse langsam ihren weg bahnt. blutklumpen, haarbüschel, knochensplitter, abgetrennte glieder wie greifklauen, fühler und rüssel, sowie ganze gruppen verendeter läuse verbinden sich zu einem graurotbraunen konglomerat, das selbstgefällig -einer modernen skulptur ähnlich- aufgetürmt dahockt, und dann durch weitere malträtierungen ihrerseits langsam bröckelnd zu boden kracht. die schere in der luft schwingend zu neuen bearbeitungen bereit, kommen sie plötzlich zur besinnung. die schere rutscht aus ihrer hand und fällt zu ihren füßen in eine dunkelrote blutlache. sie bücken sich danach, doch diese glitschige rote brühe löst ihre bodenhaftung an, sodass sie sich langsam, sehr langsam wieder aufrichten. nichts wäre ihnen peinlicher als vor der halb blinden, oder präziser: wahrscheinlich halb blinden kundin vorbei in den saal zu schlittern. sie halten sich an der lehne des stuhls fest und blicken sich um. und da, jetzt sehen sies: sie blicken rundum auf ein blutiges schlachtfeld und voller misstrauen fragen sie sich: könnte ich das gewesen sein, könnte ich so gewütet haben und wenn ja, wie konnte ich nur in solch einen blutrausch gelangen? sie sehen sich erneut erschrocken um, nichts ist so wie es früher einmal war. die alte ist zerlegt, der salon über und über mit blut besudelt; was ihnen jedoch nicht wirklich sorgen macht. was ihnen jetzt wirklich sorgen macht: was ist wenn der chef kommt? und der chef kommt immer, das ist gewiss. was ist wenn der chef kommt, was wird er sagen? der chef kommt und wird sie fragen:

 

was ist das denn für ein saustall hier?

 

was haben sie mit meinem fussboden gemacht?

 

was haben sie mit meinen möbeln gemacht?

 

was sind das denn für leichenteile hier?

 

 

der sich langsam ausbreitende faulige geruch, der sich bereits im fäulnisprozess befindenden leiche (denn es sind heute immerhin 37°c, eigentlich ein schöner tag: viel sonne, wolkenlos, heiß; aber diese leiche stinkt zum himmel) spornt sie zu neuen aktivitäten an. schnurstracks spurten sie zur besenkammer, entnehmen dort das passende arbeitsgerät und beginnen, den schrubber fest im griff, mit aller kraft, die sie nur aufbringen können, den boden von eingetrockneten blutspuren zu befreien. ihr ganzes gewicht auf den schrubber gestemmt, stoßen sie in die eingetrocknete soße. wieder und wieder greifen sie an, aber sie kommen nur, wenn überhaupt, millimeterweise voran. das zeug klebt fest wie zweikomponentenkleber, untrennbar haftend, eingraviert für die ewigkeit. voller wut rammen sie den schrubber in den boden.

 

klick, klack, klick, klack. sie hören schritte. sie hören geräusche aus richtungeingangstür. klick, klack ... hiiii ... im eingang steht ein splitternackter blonder jüngling in silberschuhen. hi ... er winkt ihnen zu. im türrahmen steht ein blonder jüngling, die arme gespreizt, die hände lässig in den türrahmen gelegt, bewegt er kreisend seinen blanken wohlgeformten unterleib. der blonde jüngling in silberschuhen. der blonde jüngling in silberschuhen, lässt seinen vollkommen enthaarten unterleib schwungvoll kreisen.

 

dann schwingt der ganze körper

 

dann leuchten seine augen

 

dann lacht sein mund

 

dann weht sein haar

 

dann schwitzt sein körper

 

 

der blonde jüngling unterbricht das kreisen seines wohlgeformten unterleibs. der blonde jüngling stürzt auf sie zu, schmiegt sich an sie, gefolgt von einer inbrünstigen umarmung, gefolgt von einer ungemein hinterhältigen aktion; der jüngling presst sich hinterrücks an ihren hintern. unfreiwillig schlittern sie, wie von äußerer kraft bewegt, ein ineinander verknotetes doppelpaket, quer durch den raum, quer durch den blutverschmierten frisiersalon. blitzartig schießen sie von tisch zu tisch, von bande zu bande, ein eiskunstlaufpaar in verhängnisvoller umklammerung. spiegel fallen klirrend zu boden, farbtöpfe, geltuben, haarbürsten, ondulierstäbe, lockenwickler, heißlufthauben, frisierkoffer, mülleimer, umhänge, haartrimmer, handtücher, wattebällchen, puderdosen, halskrausen, hochprozentige chemiekalien fallen ineinander, durcheinander, aufeinander. so sausen sie weiter und weiter, währenddessen versuchen sie sich von ihrem blonden jüngling zu befreien. ein bein ist bereits aus der umklammerung gelöst. ein arm kann folgen. da spüren sie etwas. da spüren sie plötzlich ganz dicht an ihrem nacken: ein heißen luftstoß aus nächster nähe. der jüngling packt sie und zieht sie dichter heran. pwff... ein dicker feuchter schmatzer sitzt direkt im nacken. sie könnens kaum fassen. der erregte jüngling saugt sich fest. er saugt so lange, bis sich ihre füße vom boden heben. binnen sekunden heben sie vollständig ab, sie steigen aufwärts, sie steuern direkt in horizontale lange, parallel zum boden schweben sie als galionsfigur über ihrem schlachtfeld.

 

die neue stellung, der mögliche anblick von außenstehenden durch das große nicht weit von ihnen entfernte salonfenster auf ihre absonderliche lage, verstört sie zutiefst. erste tränen beginnen über ihre hohlen wangen zu rollen, plätschern ungehindert auf den boden und vermischen sich mit dem blut der kürzlich getöteten. minutenlang lassen sie sich treiben was bei dieser extraordinären lage durchaus nicht verwunderlich ist, bis aus ihren tränendrüsen nichts mehr aber auch gar nichts hinausschwappt und sie aus verzweiflung beginnen, sich mit letzter kraft gegen den urheber dieser misslichen lage zu wehren. kurz entschlossen schlagen sie ihre schon fast leergesaugten, durchsichtig blauen arme gegen die brust des schönlings. doch der jüngling duldet keinen widerstand und reisst ihre arme mit einem ruck von seiner schönen glattrasierten brust. die schnellen, so schlapp wie sie sind, pfeilartig wie gummischläuche in ihre alte position zurück. der jüngling derart provoziert, saugt jetzt, bis ihnen schwarz vor augen wird. saugt so lange bis sie als vollständig entleerte hülse vor ihm in der blutgeschwängeren luft, wie ein fähnchen im wind herumflattern.

 

haben sie sich das so schon einmal gedacht? so könnte es doch sein, oder? so könnte es sich kurzfristig in ihrem salon ereignen. so oder so ähnlich. die variationen und kombinationen der einzelnen ereignisse sind möglich. auch das ende ist austauschbar. aber die wahrscheinlichkeit das es genau so geschieht, ist ziemlich wahrscheinlich.